Meine Stillgeschichte
© Julia Waiz Fotografie
Meine Stillgeschichte begann direkt wenige Sekunden nach der Geburt, weil mein Kleiner direkt großen Hunger hatte - ist ja auch sehr verständlich, Geburt ist ja auch für die Kleinen super anstrengend. Da ich aber zeitgleich mit dem Gebären der Plazenta und genäht werden beschäftigt war, fand ich das ganz schön herausfordernd. Unserer Hebamme ist dann auch direkt bei der U1 aufgefallen, dass die kleine Krabbe ein verkürztes Zungenband hat und meinte, dass wir erstmal beobachten sollten, ob es denn Probleme macht und erst dann handeln sollten.
Die ersten Tage fand ich es vor allem schwierig, wie ich diese riesige Brust in diesen winzigen Mund kriegen sollte. Ich wusste, dass es für das richtige Anlegen wichtig ist, dass die Brustwarze möglichst weit im Mund ist, damit das Baby den Nippel beim Saugen nicht gegen den harten vorderen Teil des Gaumens, sondern den hinteren, weichen Teil drückt. Aber wie weit ist denn tief genug?
Ich hatte panische Angst davor, wunde Brustwarzen zu bekommen, weil ich da ziemliche Horrorgeschichten mit aufgerissenen, blutenden Nippeln gehört hatte. In diesen ersten Tagen hat jedes Stillen weh getan und ich hatte auch noch fiese Nachwehen (wie Periodenschmerzen, weil das Stillen die Gebärmutter zur Rückbildung anregt und sie dadurch kontrahiert). Noch dazu konnte ich nicht sitzen, weil meine Dammwunde wehgetan hat. Ich konnte daher nur seitlich im Liegen stillen — was, wie ich später gelernt habe, eine eher fortgeschrittene Stillposition ist — und hatte parallel ein Wärmekissen gegen die Nachwehen auf dem Bauch.
Am 3. Tag nach der Geburt war meine kleine Krabbe sehr schläfrig, hat also sehr lange geschlafen und wollte wenig trinken. Als ich meiner Hebamme Julia das direkt nachdem Sie zur Tür hereinkam erzählte, schrillten bei ihr die Alarmglocken, weil das daraufhindeutet, dass der Kleine zu wenig trinkt, wodurch sein Körper in einen Sparmodus schaltet und dadurch noch weniger trinkt und so abnimmt — ein Teufelskreis. Ich hatte allerdings zum Glück vor der Geburt Kolostrum ausgestrichen und das konnten wir ihm dann geben, indem wir ihn auf die Oberschenkel legten und einen kleinen Finger zum Nuckeln neben dem kleinen Behälterchen mit dem Kolostrum gegeben haben. Das war für ihn wie ein Energy-Drink und er hatte sofort mehr Kraft beim Trinken. Dann schauten wir uns auch das Stillen nochmal an und probierten es im Sitzen, in der Hoffnung, dass ihm das Trinken so vielleicht leichter fallen würde. Da ich nicht auf meiner Dammverletzung sitzen konnte, machten wir aus meinem Stillkissen einen Donut. Der Kleine verlor beim Trinken immer wieder das Vakuum und Julia gab mir daraufhin ein paar Massageübungen für sein Gesicht, die ihm potentiell mit seinem zu kurzen Zungenband helfen könnten.
Julia bat mich, in spätestens alle zwei Stunden zum Trinken zu wecken. Das war allerdings tatsächlich garnicht nötig, weil ihm der Energieschub schon gereicht hatte, um sich alleine regelmäßig mit Hunger bei mir zu melden. Am späten Nachmittag gab ich ihm dann ein weiteres Behältnis mit Kolostrum und so war die Krise direkt mit ihrem Beginn überwunden.
Zeitgleich begann mein Milcheinschuss, der zum Glück viel weniger schlimm war, als erwartet. Meine Brüste waren zwar ziemlich groß und gespannt, es war aber nicht schlimm schmerzhaft. Weil der Kleine zu einer Zeit, als sie sehr gespannt waren, keinen Hunger hatte, habe ich eine Handmilchpumpe benutzt, um etwas abzupumpen. Ich hatte allerdings nicht die Muße, alles zu sterilisieren, daher habe ich diese Milch nicht eingefroren.
Die Schmerzen an meinen Brustwarzen wurden von Tag zu Tag mit steigender Belastung durch das Trinken immer stärker, bis ich am Donnerstag vollkommen verzweifelt war und viel geweint habe. Ich habe meinem Mann mehrfach gesagt, wie unfair es doch eigentlich ist, dass die Männer nichtmal das Stillen übernehmen, wo wir doch schon die Schwangerschaft und Geburt übernommen haben. Ich habe mich daher an dem Tag bei der IBCLC-zertifizierten Stillberaterin Sabrina Mattenklott gemeldet und sie konnte zum Glück direkt am Samstag vorbeikommen. Am Freitag wurde das Stillen schon etwas besser, auch mit den Tipps von meiner Hebamme, sodass ich mir am Samstag vor dem Termin schon kurz Gedanken gemacht hatte, ob ich Sabrina jetzt ganz unnötig geholt hatte, weil es nun nicht mehr höllisch wehtat.
Das hat sich aber sehr schnell als falsch erwiesen, denn obwohl wir schon auf einem sehr guten Weg waren, habe ich einfach nochmal so viel über das Stillen gelernt und ganz viel Sicherheit bekommen. Im Nachhinein hätte ich tatsächlich gerne schon vor der Geburt Kontakt mit ihr aufgenommen, sodass sie sobald wie möglich hätte kommen können, das hätte mir viele Sorgen erspart.
© Julia Waiz Fotografie
Nachdem Termin klappte das Anlegen viel besser und es hat nun nur noch kurz ganz am Anfang ein bisschen wehgetan (der sog. Andockschmerz). Der Kleine konnte das Vakuum auch besser halten. Nach drei-vier Wochen hat das Stillen dann garnicht mehr wehgetan und ich dachte, wir hätten nun die größte Hürde überwunden.
Als unser Kleiner 11 Wochen alt war, hat sein Stuhlgang plötzlich von einem Stuhlgang alle zwei Tage auf 8 sehr flüssige Stuhlgänge pro Tag gewechselt, die oft auch noch grün statt gelb waren. Zufällig waren wir am selben Wochenende bei einem Seminar für Kinesthetik Infant Handling, deren Kursleitung zufällig auch Stillberatung war und der aufgefallen war, dass die kleine Krabbe sehr oft das Vakuum beim Stillen verliert. Sie sah sich daraufhin auch nochmal sein Zungenband an und empfahl uns, es durchtrennen zu lassen. Da diese Diagnose zwischen Tür und Angel geschah, baten wir (nachdem wir in der Zwischenzeit umgezogen waren) die IBCLC-Stillberaterin Erika Deimel um einen Hausbesuch. Sie bestätigte das zu kurze Zungenband und empfahl uns das Zungenbandzentrum Landsberg und die Logopädin Simone Zahn-Neubert. Sein Gewicht war zusätzlich seit zwei Wochen stagniert. Frau Deimel meinte, dass sie all diese Symptome relativ häufig bei Babys sehe, die ein zu kurzes Zungenband haben und vorher sehr gut zugenommen haben. Das liegt daran, dass die Milch bei mir als Mama vorher so geschossen ist, dass die kleine Krabbe sich nicht so sehr bemühen musste beim Trinken. Um die zwölfte Woche herum hatte sich die Milch dann eingestellt und es wurde für den Kleinen so herausfordernder, an seine Milch zu kommen.
Wir haben die Zungenbanddurchtrennung dann zwei Wochen später durchführen lassen und es auch trotz dem extrem herausfordernden aktiven Wundmanagement alle 4 Stunden nicht bereut, weil er direkt so viel besser trinken konnte und innerhalb des ersten Monats nach der OP einen ganzen Kilo zugenommen hat. Ich habe mich danach selbst auch für eine Zungenbandtrennung entschieden. Auf dieses gesamte Thema werde ich in einem separaten Artikel noch einmal genauer eingehen.
Inzwischen ist das Zungenband des Kleinen geheilt und er trinkt wirklich gut. Und ich finde das Stillen inzwischen auch meistens richtig schön und kuschelig, das konnte ich mir ganz am Anfang garnicht vorstellen.